Die Mare Jonio, ein 37,5 m langes Schiff unter italienischer Flagge, welches das zivilgesellschaftliche Projekt „Mediterranea“ in Zusammenarbeit mit Sea-Watch betreiben wird, ist heute in Richtung zentrales Mittelmeer aufgebrochen. Begleitet von der Astral der spanischen NGO Proactiva Open Arms wird die Mare Jonio an der tödlichsten Grenze der Welt die zivile Seenotrettung weiterführen. Die Zahl der Todesopfer liegt aufgrund der anhaltenden Blockade ziviler Seenotrettung auf einem Rekordniveau. Heute erreichte das Schiff internationale Gewässer.
Am fünften Jahrestag des tödlichen Schiffsunglücks vom 3. Oktober 2013 ist die Mare Jonio in Richtung der Such- und Rettungszone im zentralen Mittelmeer aufgebrochen. Nachdem die Sea-Watch 3 und andere Rettungsschiffe in Malta willkürlich festgesetzt wurden und der MS Aquarius die Flagge auf politischen Druck der italienischen Regierung entzogen wurde, stellen die Mare Jonio und ihre Eskorte die einzigen dezidierten Rettungskräfte im Gebiet dar. Im September starb nach offiziellen Angaben der IOM mehr als jede zehnte Person, die versuchte, von Nordafrika nach Italien zu gelangen. Tatsächlich dürfte die Zahl der Todesopfer jedoch viel höher sein, da sich kaum Zeug*innen in der Such- und Rettungszone befinden, um von den tödlichen Folgen der europäischen Grenzpolitik zu berichten. „Die Rettung auf See – ein Zeichen unserer gemeinsamen Menschlichkeit – wurde von der Politik als Geisel genommen“, erklärte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge Filippo Grandi am Montag.
„Die europäischen Staaten haben mehr als deutlich gemacht, dass sie Menschen lieber ertrinken, als auf europäischem Boden ankommen zu lassen. Die Mare Jonio setzt ein Zeichen, dass die Zivilgesellschaft die europäischen Werte noch nicht aufgegeben hat und bereit ist, die Menschenrechte auf See weiter zu verteidigen“, sagt der Vorsitzende von Sea-Watch, Johannes Bayer. „Erst diesen Montag entdeckte unsere Flugbesatzung eine treibende Leiche, Hinweis auf eine weitere unbeachtet gebliebene Tragödie. Die Zivilgesellschaft muss jetzt Position beziehen, deshalb unterstützt Sea-Watch das Projekt Mediterranea von Anfang an, sowohl finanziell als auch mit Besatzung und unserem Wissen, das wir bei zahlreichen Rettungseinsätzen gesammelt haben“.
„Wir freuen uns, dass mit unseren Freunden auf der Astral und der Mare Jonio, begleitet vom Aufklärungsflugzeug Colibri, jetzt zumindest eine kleine zivile Flotte auf dem Weg in die tödlichsten Gewässern der Welt ist“, sagt Sea-Watch-Crewmitglied Tilman Telteman vor Ort. „Wir haben wenige Möglichkeiten und geringe Kapazitäten, aber die großen Rettungsschiffe sind im Hafen festgesetzt, also tun wir, was wir können.“
„Mediterranea ist eine italienische zivilgesellschaftliche Initiative, der auch Sea-Watch angehört. Wir wollen gemeinsam Menschenleben retten und zugleich die europäische Gesellschaft vor ihrer Entmenschlichung bewahren“, erklärt Giorgia Linardi, Sea-Watch-Sprecherin in Italien. „Durch den Akt der zivilen Seenotrettung wollen wir auf die Idee einer Gesellschaft zurückkommen, die auf Solidarität und gleichen Rechten für alle beruht. Wenn der Pass einen Unterschied bei der Rettung von Menschenleben macht, wenn die Menschenwürde verletzt wird, sind die Grundlagen unserer Gesellschaft in Gefahr.“
Die Mare Jonio wird spätestens Samstag die SAR-Zone erreichen.
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